«Das klingt ja wie eine Wetter-App», sagte einer zu mir, nachdem ich ihm den Namen unseres Kollektivs verraten hatte. Er lag wohl nicht ganz falsch. Unter uns gesagt, wäre eine Wetter-App mit Namen «Wind & Wetter» aber ganz schön einfallslos. Das tat zu diesem Zeitpunkt jedoch nichts zur Sache, denn ich fühlte mich ertappt. Ich hatte kurz das Gefühl, auf eine persönliche Eigenart hingewiesen zu werden, die man all die Jahre nie bemerkt, aber schamlos ausgelebt hatte. Dachte der Typ etwa, wir hätten uns nicht vorher über mögliche Missverständnisse zu unserem Kollektivnamen auseinandergesetzt? So ganz falsch lag er wieder nicht. Von Anfang an war für uns klar; dieser Name widerspiegelt unser Business. Draussen sein, Landschaften, Menschen und Erlebnisse, ungeachtet der Anstrengungen und Wetterbedingungen, einzufangen – keiner von uns hätte an eine scheiss Wetter-App gedacht.
Ihren Anfang nahm die Geschichte von Wind & Wetter Stories im Frühjahr 2019. Im Sommer zuvor reichten wir unsere Bachelorarbeiten ein, wanderten für Schweiz Tourismus die Via Alpina und im Herbst zog ich mir an einem regnerischen Tag in Schottland, beim Versuch ein Schaf zu fotografieren, einen Bänderriss zu. Im Februar kurvte ich noch in Neuseeland umher und nun würden wir in wenigen Wochen am grössten Tourismus Event des Landes unsere Arbeit für Schweiz Tourismus vorstellen. Hatten wir es einfach so geschafft? Hatten wir unsere Hobbies zum Beruf gemacht?
Als Individuen in einem losen Bund von Kreativen, versuchte sich dann jeder selbst zu profilieren, die besten Aufträge an Land zu ziehen, tolle Offerten zu schreiben und hin und wieder – wenn es nicht anders ging – einen anderen der Gruppe zur Unterstützung dazu zu holen. Die Idee, unsere Kräfte zu bündeln, war zu dieser Zeit nur ein schemenhafter Gedanke, der in der Gruppe umher- und die einen mehr als die anderen begeisterte. Waren wir Unternehmer? Hatten wir die Eier*stöcke, ernst zu machen und etwas auf die Beine zu stellen?
Es war ein recht warmer Frühlingsabend, als Jana und ich uns in eine Bar in Zürich setzten um den Erfolg der vergangenen Monate einzuordnen. Wir sprachen darüber, Ressourcen zusammenzulegen, hingen aber insgeheim den ungeteilten Honoraren hinterher, einigten uns darauf, dass ein starkes Kollektiv für uns, aber auch für alle zukünftigen Kunden, die bessere Lösung war und tranken Bier.
Wir brauchten keine Konkurrenzanalyse um zu wissen, dass es bereits von Agenturen, kreativen Kollektiven, findigen Freelancern und selbsternannten Spezialisten wimmelte. Was erst wie eine ermattend toxische Welle über uns hereinbrach, legte sich nach dem einen oder anderen «Dark & Stormy» wieder. Das Überangebot an kreativen Dienstleistungen war nun keine bedrohliche Masse mehr, die sämtliche Innovation im Keim erstickte, sondern einfach eine Tatsache, die wir akzeptieren mussten – und auch konnten. Es würde sicher Mittel und Wege geben, wie unser Kollektiv aus dem Sumpf der Kollektive hervorstechen konnte.
Um die Idee greifbar zu machen, brauchten wir einen Arbeitstitel. Nur so könnten wir unseren daheimgebliebenen Kollektivgenossen unseren Plan schmackhaft machen. Wir könnten unseren Gruppenchat umbenennen, wir könnten ein Logo kreieren, wir könnten Social Media Profile einrichten, wir könnten und könnten. Ein Name musste her.
Wir wollten einen Namen mit Substanz. Keine Wortkreation die auf künstlich dynamische Art und Weise versucht mehr zu sein als sie ist. Der Name sollte auch nichts mit Schiffen und Seefahrt zu tun haben, denn irgendwie hält sich jede zweite Agentur für ein eingeschworenes Piratenschiff. Wir wollten keine alten Männer sein, die mit Fernrohr und Säbel versuchen die sieben Weltmeere zu erobern. Und keiner von uns hatte den Anspruch, den eigenen Namen in den Schnee der kalten Agenturlandschaft zu pissen. Es durfte ruhig etwas abstrakt sein – am Ende soll aber jeder verstehen, was hinter dem Namen steckt. Am besten ohne grosse Erklärung – haha.
Wir sind suuper kultiviert und belesen – vielleicht eine spielerische Andeutung an eine Grösse der griechischen Mythologie? Ein Wortfetzen aus einem Frühwerk Thomas Manns?
Wer weiss, vielleicht auch eine provokative Referenz zu den urzeitlichen Höhlenmalereien? Sind wir nicht alle Tiere? Ist der Mensch nicht die Bürde dieser Welt, die all ihren anderen Bewohnern nur Tod und Zerstörung bringt? Haben wir uns – objektiv betrachtet – in der Geschichte unserer Existenz auch nur einen Schritt vorwärts bewegt?
Ich google nach den gängigsten Agenturen in der Schweiz. Kaum listeten sich die Namen in blauen Lettern auf, entschwand mir der Sinn meiner Handlung. Was sollte das bringen? Wollte ich etwa einen Namen stehlen und frech als den unsrigen verkaufen? Wie sich das für eine Bar, die etwas auf sich hält gehört, lagen auf einer Ablage hinter uns zerlesene Bücher von namhaften Autoren. Keine Krimis, die sich nur durch die Todesursache des Opfers und den Scheidungsgrund des Kommissars unterschieden. Nein, bedeutungsvolle Werke der Literatur, die zwischen Videocall und Espresso oder während eines Toilettenbesuchs des Gegenübers durchgeblättert wurden. Prallgefüllt mit Lebensweisheiten, blieb bestimmt bei jedem etwas davon hängen.
Ich griff nach einem dieser Bücher und durchforstete die Seiten nach spannenden Wortkombinationen. Im besten Fall liessen sie sich auch noch auf unsere Tätigkeit als Multimedia Produzenten anwenden. Waren wir edgy genug, unser Kollektiv, wie Ödön von Horvath seine Figuren in Jugend ohne Gott, martialisch mit einem einzigen Buchstaben zu benennen? «Kollektiv C», «Q», «Y». Im Nachhinein war es eine gute Entscheidung auf das Q und das Y zu verzichten. Denn wir glauben nicht, dass Reiche in ihren Kellern unschuldige Kinder verspeisen und haben auch nicht die journalistischen Ansprüche des Y-Kollektivs. Dann stand da Herr & Hund. Nach wie vor fände ich das einen tollen Namen für ein Kollektiv. Als Dienstleister in einem kapitalistischen System beschreibt er durchaus passend die Beziehung zwischen Erbringer und Nehmer einer Leistung. Es lässt sich aber auch nicht abstreiten, dass er leichte SM-Vibes aufweist. Und sollte im Eifer des unternehmerischen Gefechts eine Abkürzung von Nöten sein, liegt es in der Fantasie der Leser*innen ob sie für Herr & Hund oder Helly Hansen steht. Das wäre verantwortungslos gewesen. Die Kombination zweier Begriffe mit gleichen Anfangsbuchstaben aber, gefiel uns. Die Kombination sollte eine vertraute sein. In einem ledernen Notizbuch, auf handgeschöpftem Papier, schrieben wir unsere Ideen nieder. Und dann, plötzlich und wie ein sommerlicher Platzregen; Wind & Wetter.
Wir waren begeistert. Das waren wir. Natur, Wetter, Draussen sein und Geschichten erzählen. Egal ob im windgegeisselten Zelt, im Schein einer Stirnlampe oder unter dem klaren Sternenhimmel an einem Lagerfeuer. Das waren wir.